Anna Vavrovsky,
Managing Partner, Academy for Value in Health GmbH
© Oliver Gas

Zell- und Gentherapien sind nichts anderes als ein Paradigmenwechsel in der Medizin. Sie ermöglichen eine Bewegung von der reinen Symptombehandlung zur Beseitigung der tatsächlichen Krankheitsursache. Diese innovativen Therapieformen werden einmalig angewendet und bieten in einigen Fällen sogar das Potenzial einer vollständigen Heilung.

Eine Vielzahl von Zell- und Gentherapien befindet sich in Entwicklung. In gleichem Maße, in dem die Hoffnung Betroffener wächst, tut dies auch die Sorge um die Kosten, die für diese Behandlungen anfallen werden.

Zur Einordnung des Benefits, den moderne Gesundheitstechnologien gegenüber traditionellen Therapieformen leisten, kann die Gesundheitsökonomie einen wichtigen Beitrag leisten. Die Besonderheiten von Zell- und Gentherapien stellen hier interessante Herausforderungen dar.

Ökonomische Evaluationen erfassen üblicherweise den im Vergleich mit Standardtherapie durch neue Verfahren gebotenen Gesundheitsgewinn für die Betroffenen und stellen diesen den Kosten für das Gesundheitssystem gegenüber. Der Gesundheitsgewinn, den Gentherapien gegenüber Small Molecules und Biologika bieten, ist beträchtlich und die Gewinne an qualitätsadjustierten Lebensjahren (Quality-Adjusted Life-Years; QALYs) übersteigen jene der beiden Vergleichskategorien. Einige Zell- und Gentherapien bieten auch Therapieoptionen für Patient:innen, denen andernfalls überhaupt keine wirksame Behandlung zur Verfügung stehen würde, und schließen Therapielücken.

Für Kostenträger:innen stellt sich neben der Frage der Finanzierbarkeit auch die nach der bis dato noch unsicheren, weil noch unbekannten Langzeitwirksamkeit. Das derzeitige Modell, nach dem Gesundheitsleistungen erbracht und abgerechnet werden, wurde für lange Therapiedauern entwickelt. Die hohen Einmalkosten zum Zeitpunkt der Therapieverabreichung von Zell- und Gentherapien stellen eine Finanzierungsherausforderung dar.

Auch sorgt die bereits erwähnte potenziell lebenslange Dauer des Therapieeffekts, die sich nicht in der Länge üblicher klinischer Studien abbilden lässt, für eine Unterschätzung der Wirksamkeit dieser Therapien, was sich wiederum direkt auf die Kosteneffektivität auswirkt.

Zur Lösung der beschriebenen Unsicherheiten bieten sich leistungsorientierte Finanzierungsmodelle (Managed Entry Agreements; MEAs) an. Diese haben den Vorteil, dass die Kosten über mehrere Jahre aufgeteilt und Zahlungen an das Erreichen vereinbarter Wirksamkeitsendpunkte geknüpft werden können. Kurz- und mittelfristig kann durch eine Zusammenarbeit von Hersteller:innen und Kostenträger:innen das Risiko eines hohen Budget Impact durch eine Erstattung sehr hochpreisiger Therapien minimiert werden.

Langfristig wird eine Zunahme von Anbieter:innen die finanzielle Nachhaltigkeit wohl positiv beeinflussen. Auch wird erwartet, dass die hohen Herstellungskosten, die einem generischen Mitbewerb im Weg stehen, über den Zeitverlauf sinken werden.

Die finanzielle Nachhaltigkeit von Therapien ist von immenser Wichtigkeit für die gesamte Gesundheitswirtschaft und sollte nicht isoliert betrachtet und diskutiert werden. Es geht um die Bewertung von lebensverändernden Gesundheitsverbesserungen, um Werte, an denen Österreich als Gesellschaft seine Gesundheitsversorgung misst, und um die richtigen Anreize für die Entwicklung von Innovationen.

MAT-AT-2301310-V1.0-12/2023