Birgit Meinhard-Schiebel,
Präsidentin der Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger

Im Gesundheits- und Pflegesystem steht der erkrankte oder pflegebedürftige Mensch im Mittelpunkt. Das sollte für die gesamte Gesundheitspolitik und Gesundheitswirtschaft die oberste Prämisse sein. Das medizinische und pflegerische Personal rund um die Betroffenen hat mit seiner Expertise eine wichtige und zentrale Rolle. Wer allerdings bisher nur wenig beachtet wird im gesamten Pflegeprozess, sind die pflegenden Angehörigen und Zugehörigen. Sie sind diejenigen, die den pflegebedürftigen Menschen am besten kennen, über umfangreiche Informationen verfügen, die für die Pflege von großer Bedeutung sind. Kranke oder pflegebedürftige Menschen befinden sich sehr oft in einer Stresssituation und können sich selbst manchmal nicht genügend vertreten. Ihre Mitbestimmung im System ist damit häufig sehr eingeschränkt, immer abhängig davon, wie weit sie auch im sonstigen Lebensalltag darin geübt sind, ihre Interessen zu artikulieren und sich nicht in einer schwierigen Lage, wie sie eine Erkrankung oder Pflege mit sich bringt, überfordert oder unterdrückt zu fühlen.

Pflegende Angehörige sind somit oft in der Situation, ihre Advokatinnen und Advokaten zu sein, die versuchen, ihnen beizustehen und für sie einzutreten. Sie als Linkworkerinnen und Linkworker im System einzubinden, ihnen ebenfalls ein Mitspracherecht zu geben im Sinne der pflegebedürftigen Menschen, ist eine wichtige Möglichkeit, nicht nur die Selbstbestimmung der Betroffenen zu stärken, sondern auch zum gesamten Prozess der Gesundung oder der bestmöglichen Pflege und Betreuung beizutragen.

In einem Setting, in dem pflegende Angehörige ernst genommen und nicht als Störfaktor im Prozess empfunden werden, steigt die Chance für erkrankte oder pflegebedürftige Menschen, sich als Betroffene auch unterstützt und selbst mitbestimmend zu erleben.