Berit Hippe,
CEO HeathBioCare GmbH, Lektorin Universität Wien

Die Entwicklung von immer präziseren Messmethoden und das wachsende Wissen über die Regulationen von Körperfunktionen haben zu einer Vielzahl an klinischen und biomolekularen Daten geführt. Diese zeigen, dass die Strategie „one fits all“ veraltet ist und es sowohl technisch als auch wirtschaftlich sinnvoll ist, diese in Richtung Personalisierung zu überarbeiten. Langfristig alle Menschen gleich zu behandeln, kann sogar unethisch und unwirtschaftlich sein, da einige Standardbehandlungen wirkungslos sein können oder sogar zu relevanten Nebenwirkungen führen.

Auf der einen Seite ist die Personalisierung von Behandlungen wichtig, aber auf der anderen ist es viel wichtiger, Krankheiten zu verhindern. 80 Prozent aller Erkrankungen werden über eine unausgewogene Ernährung und Bewegungsmangel beeinflusst. Eine personalisierte Ernährung, die an die Bedürfnisse jedes einzelnen Menschen individuell angepasst ist, stellt eine der funktionalsten und langfristig günstigsten Präventionsmaßnahmen dar. Voraussetzung dafür ist ein frühzeitiges und regelmäßiges Monitoring bestimmter Parameter. Es ist wichtig, dies bewusst zu machen (Förderung Gesundheitskompetenz), und die Hemmschwelle zur Durchführung dieser Tests sollte sehr niedrig sein (Durchführbarkeit, Kosten, Sicherheit), um viele Menschen anzusprechen.

Aufgrund der nationalen Teststrategien der letzten zwei Jahre haben Tests für zu Hause eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung erlangt. Früher testete man sich nur, wenn man krank war und zum Arzt ging. Mittlerweile ist es normal, routinemäßig Tests zu machen, auch wenn man gesund ist. Die Ergebnisse werden digital übermittelt. Die Bereitschaft, sich selbst zu testen und digitale Gesundheitsangebote zu nutzen, ist im Vergleich zu vor 2020 gestiegen.

Die aktuellen Nährstoffempfehlungen basieren auf Schätzungen der Nährstoffaufnahme, um Mangelernährungen zu verhindern. Dieser Ansatz konnte das Risiko ernährungsbedingter Erkrankungen nicht reduzieren. Umso größer waren die Erwartungen an die Entschlüsselung des menschlichen Genoms. Durch die Erforschung der Wechselwirkungen zwischen genetischen und genomischen Informationen mit Umweltdaten wurde entdeckt, wie individuell und verschieden jede bzw. jeder Einzelne auf Nährstoffe reagiert. Ernährung hat sogar über epigenetisch wirksame Nährstoffe und sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe einen direkten Einfluss auf die Regulierung der Gene. Den gesamten Körper mit allen einzelnen Stoffwechselvorgängen abzubilden, ist sehr aufwendig und teuer. Daher sind funktionelle Biomarker wichtig, um komplexe Systeme abzubilden. Dies ist zum Beispiel durch epigenetische Analysen möglich. Umweltfaktoren, d. h. Lebensstil und Ernährung, beeinflussen epigenetische Prozesse und führen dazu, dass Gene schwächer oder stärker abgelesen werden. Epigenetische Analysen untersuchen folglich, welche Gene zu oft (z. B. bei frühzeitigem Altern oder Entzündungen) oder zu selten (bei Reparaturmechanismen, Stressmanagement oder Regeneration) abgelesen werden, und liefern Informationen für personalisierte Ernährungsstrategien, welche diese Gene (de-)aktivieren und Krankheiten vorbeugen.

Damit diese gesundheitsbezogenen Tests valide durchgeführt werden können, benötigt es eine große Eigenverantwortung der Unternehmen für die wissenschaftlich erhobenen Daten und die Garantie der Datensicherheit für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Ergebnisse gehören auf der einen Seite dem/der Verbraucher:in, auf der anderen Seite werden die Ergebnisse zur Datenvalidierung oder zur Erstellung neuer Erkenntnisse benötigt.

Die Verbesserung der Prävention und Behandlung von Krankheiten durch wissenschaftlich gewonnene Erkenntnisse zu personalisierter Ernährung sind Teil der Gesunderhaltung. Zusätzlich müssen Gesundheitsexpert:innen wie Ärzt:innen und Ernährungsberater:innen unterstützt werden, auch in der Interpretation der Testergebnisse und deren Umsetzung.