Claudia Plant,
Head Research Group Data Mining and Machine Learning, Universität Wien, Fakultät für Informatik

Digitale Innovationen können im Gesundheitswesen in verschiedene Richtungen Antrieb geben – ob es um die Erleichterung des Alltags geht oder um schnellere Behandlungsabläufe, Unterstützung von Klinikmitarbeiterinnen und -mitarbeitern oder Patientinnen und Patienten. In jedem dieser Bereiche stehen am Anfang der Entwicklung meist Daten aus medizinischen Messgeräten wie funktionellen Magnetresonanztomografen (fMRT), EKG oder EEG. Der Wissenschaftszweig Data Mining im Bereich des Gesundheitswesens macht es sich zur Aufgabe, aus diesen umfassenden Datenmengen wertvolle Informationen zu extrahieren, um diese in weiterer Folge beispielsweise zur Früherkennung von Krankheiten in den klinischen Alltag integrieren zu können. Eine spezielle Herausforderung stellen dabei neurologische Erkrankungen wie Schizophrenie oder Depression dar, da bei diesen eine Vielzahl von physiologischen und psychologischen Prozessen eine Rolle spielen. Zusätzlich müssen sich Ärztinnen und Ärzte häufig auf die subjektive Wahrnehmung der Patientinnen und Patienten verlassen. Data-Mining-Methoden können in diesem Zusammenhang dazu beitragen, Diagnosen zu objektivieren und Krankheitsbilder besser verstehen zu lernen.

Im Zuge des FWF-geförderten Projekts „Learning Synchronization Patterns in Multivariate Neural Signals for Prediction of Response to Antidepressants“ kooperieren zwei Teams von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, um einen Beitrag zur Weiterentwicklung solcher Methoden zu leisten. Auf der einen Seite das Team von Dr. Milan Paluš von der Czech Academy of Sciences und Martin Brunovský, MD, PhD vom National Institute for Mental Health. Auf der anderen Seite die Arbeitsgruppe Data Mining and Machine Learning der Universität Wien unter der Projektleitung von Prof. Claudia Plant und Dr. Kateřina Schindlerová.

Grundlage des Projekts sind EEG-Aufzeichnungen der Patientinnen und Patienten im Ruhezustand (ohne externe Stimuli) zu drei Zeitpunkten: (1) vor jeglicher Behandung, (2) eine Woche nach der Behandlung mit Antidepressiva oder mittels transkranieller Magnetstimulation sowie (3) am Ende des Behandlungszyklus nach mehreren Wochen. Es konnte festgestellt werden, dass unabhängig von der Behandlungssubstanz bzw. -methode nur etwa 50 Prozent der Probandinnen und Probanden positiv auf die Behandlung ansprechen („Responder“). Da eine erfolglose Behandlung eine große Belastung für die Patientinnen und Patienten darstellt, ist es dementsprechend wünschenswert, bereits aus den Daten vor beziehungsweise nach nur kurzer Behandlungsdauer erkennen zu können, ob ein Therapieerfolg wahrscheinlich ist. Hier sollen nun im Zuge des Projekts Methoden entwickelt werden, die objektive Marker rein aus den Daten der ersten beiden Aufzeichnungszeitpunkte extrahieren. Die Analysemethoden basieren im Wesentlichen auf dem Konzept der Synchronisation. Dies bedeutet vereinfacht gesagt, dass Muster von interagierenden Gehirnregionen identifiziert werden sollen. Im Idealfall gelingt es, die Gruppe der „Responder“ von jener der „Non-Responder“ anhand unterschiedlicher Synchronisationsmuster mit möglichst hoher Wahrscheinlichkeit zu unterscheiden.

Als methodische Grundlage dienen dazu bereits bei hochrangigen Konferenzen und Journalen publizierte Verfahren der Data-Mining-and-Machine-Learning-Gruppe der Universität Wien im Bereich der Synchronisationsanalyse [1], Clustering von multivariaten Zeitreihen [2] sowie Kausalitätskonzepten [3]. Gemeinsam mit den Kooperationspartnern aus Tschechien werden diese Konzepte erweitert und an die Daten sowie die Fragestellung angepasst. Auch wenn es ein langer Prozess bis dahin ist, stellen wissenschaftliche Publikationen den ersten Schritt dar, um neue Methoden in der Zukunft in die klinische Anwendung zu bringen und damit Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzte zu unterstützen.

[1] Bauer, L. G., Hirsch, F., Jones, C., Hollander, M., Grohs, P., Anand, A., Plant, C., & Wohlschläger, A. Quantification of Kuramoto Coupling Between Intrinsic Brain Networks Applied to fMRI Data in Major Depressive Disorder. Frontiers in computational neuroscience, 16, 729556. 2022 https://doi.org/10.3389/fncom.2022.729556

[2] Plant, C., Wohlschläger, A. M., & Zherdin, A. Interaction-Based Clustering of Multivariate Time Series. 2009 Ninth IEEE International Conference on Data Mining, 2009, pp. 914-919, doi: 10.1109/ICDM.2009.109.

[3] Hlavackova-Schindler, K., & Plant, C. Graphical Granger causality by information-theoretic criteria. In Proceeding of European Conference on Artificial Intelligence. 2020.